MEINE REDE IM DEUTSCHEN BUNDESTAG AM 07. JUNI 2024

„Jede zweite Frau arbeitet in Teilzeit“, das schreibt die Union in ihrem Antrag, der letzte Woche im Bundestag debattiert wurde. Doch was für sie daraus folgt, ist lediglich eine steuerliche Förderung von „familiennahen Dienstleistungen“. Das ist doch schon wieder nur etwas für Gutverdienende. Wie wir Frauen wirklich aus der Teilzeit holen? Mit Equal Care, Equal Pay, dem Ausbau des Betreuungsangebots, der Lockerung der Schuldenbremse und der Abschaffung der Steuerklassen III und V. Denn erst diese fünf Punkte schaffen Gleichberechtigung und damit Wahlfreiheit.

Hier der komplette Wortlaut meiner Rede im Rahmen der Haushaltswoche:

Sehr geehrte/r Präsident/in,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

„Jede zweite Frau arbeitet in Teilzeit.“ Das ist doch schon mal eine Problemanalyse, liebe Union, der wir uns anschließen können. Doch darin erschöpft sich die Produktivität Ihres Antrages auch schon fast, denn was für Sie daraus folgt, ist lediglich eine steuerliche Förderung von „familiennahen Dienstleistungen“.

Liebe Union, ist das alles? Fällt Ihnen nicht mehr dazu ein, Frauen mehr bezahlte Arbeit zu ermöglichen? Gucken wir doch mal, warum so viele Frauen in Teilzeit arbeiten, zum Teil arbeiten müssen:

Erster Punkt: die völlig unfair verteilte Care-Arbeit. Noch immer leisten Frauen pro Woche 9 Stunden mehr Care-Arbeit als Männer. Das sind 9 Stunden unbezahlte Arbeit, die für die Erwerbstätigkeit fehlen. Besonders gravierend sind die Zahlen bei jungen Familien. Täglich investieren Frauen hier mehr als doppelt so viele Stunden als Männer für Care-Arbeit. Dabei werden gerade in dieser Zeit wichtige Weichen für das gesamte weitere Arbeitsleben bis hin zur Rente gestellt. Was will die Union daran ändern? Nichts!

Zweiter Punkt: gleicher Lohn für gleiche Arbeit! Wenn Frauen endlich für die gleiche Qualifikation und die gleiche Arbeit so bezahlt werden, wie es Männer werden, dann werden sich die Unterschiede bei Teilzeit und Vollzeit eher ausgleichen. Was findet sich im Unionsantrag dazu? Nichts!

Dritter Punkt: die Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen. Was will die Union: stärkere steuerliche Berücksichtigung von Betreuungskosten. Das ist doch Augenwischerei: Das hilft doch wieder nur denjenigen, die das entsprechend hohe Einkommen haben. Und wo kommt das Betreuungspersonal her? Da hat die Union keine Antwort.

Vierter Punkt: die Schuldenbremse. Die Union hält an ihr fest wie ein Ertrinkender am Strohhalm, auch in unionsgeführten Bundesländern wie Hessen. Die dringend benötigten Investitionen auch auf kommunaler Ebene, z.B. in den Ausbau der Kinderbetreuung, in generationenübergreifende und inklusive Wohnungsbauprojekte oder in Tagespflegeeinrichtungen in öffentlicher Hand scheitern an der Schuldenbremse.

Eine auskömmliche Finanzierung der Kommunen für diese wichtigen Vorhaben ist Aufgabe der Länder. Die KfW hat aber jüngst festgestellt: der kommunale Investitionsrückstand ist auf über 186 Milliarden Euro angewachsen. Diesen Rückstand spüren auch die Familien. Liebe Union, Investitionspolitik zu überdenken wäre doch einmal etwas, statt Gutverdienern Steuern zu erlassen.

Fünfter Punkt: Wenn wir schon mal beim Steuersystem sind, dann lassen sie uns doch darüber reden, was wirklich helfen wird, um Frauen aus der ungewollten Teilzeit zu holen. Und hiermit meine ich die Abschaffung der Steuerklassen III und V.

Die Abschaffung der Steuerklassen III und V schafft nämlich Steuererleichterungen, und zwar für Ehefrauen. Endlich sind es dann nicht mehr sie, die die steuerliche Hauptlast zu tragen haben. Die Steuerklassenreform ist der perfekte Anreiz für Frauen, mehr arbeiten zu gehen und nicht ihre Stunden noch weiter zu reduzieren. Dann endlich sieht es auf ihren Lohnzetteln nicht mehr so aus, als würde sich ihre Arbeit nicht lohnen und viel billiger sein als das Einkaufen haushaltsnaher Dienstleistungen.

Liebe Union, wir werden das Gesetz zur Abschaffung der Steuerklassen III und V bald hier einbringen – dann werden wir sehen, wie ernst es Ihnen damit ist, Frauen eine Wahlfreiheit zu ermöglichen. Denn Wahlfreiheit setzt Gleichberechtigung voraus! Und die schaffen wir nur mit Equal Pay, Equal Care, einem Ausbau der Betreuungsmöglichkeiten, einer Lockerung der Schuldbremse und der Abschaffung der Steuerklassen III und V.

Vielen Dank!

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