MEINE REDE IM DEUTSCHEN BUNDESTAG AM 21.09.2023

Zurecht hat die Bundesregierung in den letzten Krisenjahren das Instrument der temporären Mehrwertsteuersenkung genutzt, um Menschen und Betriebe im Kontext der Corona-Pandemie bzw. des russischen Angriffskries gegen die Ukraine zu entlasten. Es bleibt aber ein Krisenwerkzeug mit Vor- und Nachteilen, das sich kaum als dauerhafte Lösung eignet. Wieso das Umsatzsteuersystem eine viel grundsätzlichere Reform braucht und weshalb wir sowohl aus fiskal- als auch aus sozial- und klimapolitischen Gründen uns unbedingt mit dem Abbau fossiler Subventionen beschäftigen müssen, darum ging es in meiner Rede im Deutschen Bundestag am 21. September 2023.

Hier der komplette Wortlaut meiner Rede:

Sehr geehrte/r Präsident/in,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich glaube, niemand hier im Saal widerspricht der Aussage, dass eine Rückkehr der Mehrwertsteuer auf 19% beim Konsum in der Gastronomie und bei Gas und Wärme die Konsumenten in unserem Land belastet. Und klar: Bei den Vergünstigungen zu bleiben, klingt erst mal gut.  

Aber: Wenn wir das Kriseninstrument einer temporären Mehrwertsteuerreduktion zu einer generellen Dauerlösung machen, dann erodiert unser Mehrwertsteuersystem von allen Seiten. Denn wer vermag dann noch, an anderer Stelle den Wunsch nach einer ebensolchen Reduktion zu verneinen?

Es ist meine Grundüberzeugung, dass wir nur dann auch zukünftig so flexibel und effektiv auf Krisen eingehen können, wie wir es bisher getan haben, wenn wir weiterhin Kriseninstrumente für Krisenzeiten aufheben und nicht in den Standard-Instrumentenkasten packen. Denn Vertrauen in eine Regierung beruht auch darauf, dass sie Kriseninstrumente nicht überstrapaziert und dass diese in Krisen dann auch wirken. Und genau das sehen wir jetzt: Die Energiepreise an den Börsen sinken wieder und wir haben eine ganz andere Situation in diesem Herbst als noch vor einem Jahr.

Das heißt nicht, dass unser Umsatzsteuersystem in Zement gegossen ist. Hier ist eine grundsätzliche Reform durchaus sinnvoll. Denn die absurdesten Beispiele der Klassifizierung von 7 oder 19% Mehrwertsteuersatz haben wir an dieser Stelle schon häufiger zusammengetragen. Und es heißt auch nicht, dass wir die nicht zuletzt durch Corona und Fachkräftemangel gebeutelte Gastronomie einerseits und die Verbraucher:innen andererseits nicht anderweitig entlasten können.

Wie machen wir das? Es ist ja seit Beginn der Energiekrise, in der wir uns durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine befinden, die Prämisse der Ampelkoalition, durch gezielte Unterstützung gerade die Menschen zu entlasten, die am wenigsten Geld haben. Denn eines ist klar: Bei einer angespannten Haushaltslage und der Vorgabe, die Schuldenbremse einzuhalten, kann nicht mehr aus dem Vollen geschöpft werden.

Neue Spielräume für zukünftige Haushalte können wir uns aber erarbeiten, indem wir mal an das Thema Subventionsabbau herangehen:

Es ist nicht nur fiskalisch sinnvoll, sondern schlichtweg ein Gebot der Vernunft, genau DIE umwelt- und klimaschädlichen Subventionen und Ausgaben abzubauen, von denen übrigens hauptsächlich die Reicheren in unserer Gesellschaft profitieren. Und hier erinnere ich auch gerne daran, dass die G7-Staaten 2016 beschlossen haben, sämtliche klimaschädliche Subventionen bis zum Jahr 2025 auslaufen zu lassen. Wir stehen hier also nicht allein da mit unserer Forderung.

Das Umweltbundesamt hat in einer Studie von 2021 berechnet, wie viel Einnahmen dem Staat durch direkte oder indirekte fossile Subventionen entgehen: Das sind 50 bis 60 Milliarden Euro pro Jahr, die hier möglich wären. Und das ist allein die finanzielle Seite der Medaille. Auf der ökologischen Seite können wir knapp 100 Millionen Tonnen CO2 einsparen.

Als Abgeordnete eines Wahlkreises, der besonders durch Fluglärm belastet wird, frage ich mich – und das fragen sich auch die Bürgerinnen und Bürger aus dem Kreis Groß-Gerau – was bei den fossilen Subventionen im Luftverkehr passiert. Wir reden hier von der Energiesteuerbefreiung für Kerosin oder auch über die Mehrwertsteuerbefreiung für internationale Flüge. Auch beim Dienstwagen-privileg und bei der Energiesteuervergünstigung für Diesel liegen große klima- und finanzpolitische Potenziale und viel Spielraum für künftige Haushaltspläne. Das wären steuerpolitische Anpassungen, die wir zugunsten der weniger gut gestellten Menschen in unserem Land vornehmen könnten.

Als SPD-Fraktion ist uns klar, dass wir hier ranmüssen. Denn Subventionen durch verringerte Steuersätze können temporär in Krisenzeiten helfen, ob wir sie uns als Dauerprivileg leisten können, sollten wir dann im Finanzausschuss besprechen.

Vielen Dank!

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