Endlich ist es soweit: Das Gesetz, das die Steuerklassen III und V abschafft und damit erheblich zur finanziellen Gleichberechtigung von Frauen beiträgt, kommt in erster und zweiter Lesung in den Bundestag. Klar, dass ich da eine Rede halten wollte. Und während wir uns in der SPD-Bundestagsfraktion über diesen Quantensprung in der Besteuerung von Ehen und Lebenspartnerschaften freuen, trauert die Union noch der unverhältnismäßigen Bevorzugung der Alleinverdienerehe nach. Tja, manche kommen halt nie im 21. Jahrhundert an.
Hier der komplette Wortlaut meiner Rede:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Steuerfortentwicklungsgesetz, das klingt nach: Wir machen die Dinge Stück für Stück, Schrittchen für Schrittchen besser. Aber es gibt eine Komponente, die in diesem Gesetzentwurf wirklich historisch ist, und das ist, dass wir unser Steuerklassensystem aus den 1950er-Jahren endlich abschaffen, die Alleinverdienerehe nicht weiter fördern und antiquierte Rollenbilder ablegen und nicht weiter verfestigen.
Es handelt sich nämlich um ein Steuersystem, das mit seinen Steuerklassen III und V den geringer verdienenden Ehepartner ab dem allerersten Euro Steuern zahlen lässt und dem besser verdienenden Ehepartner beide Steuerfreibeträge gibt. Und Herr Brehm, ich weiß nicht, ob Sie nur in Ihrem Steuerberatermännerklub über diese Themen sprechen oder ob Sie auch mal mit Frauen darüber gesprochen haben.
Denn so ein Steuersystem ist nicht gerade ein Anreiz, arbeiten zu gehen. Wenn ich mich nämlich mit Frauen oder Männern außerhalb eines Steuerberaterklubs unterhalte, dann höre ich ganz häufig: Ich habe Steuerklasse V, es lohnt sich für mich nicht, arbeiten zu gehen.
Deshalb bringen wir diese historische Veränderung auch in einer Zeit des Fachkräftemangels ein, in der es darum geht, jede mögliche Arbeitskraft zu mobilisieren, und das sind dann eben auch die Frauen. Wirtschaftsexpertinnen und Wirtschaftsexperten fordern diesen Schritt schon ziemlich lange. Deshalb finde ich es super, dass wir ihn jetzt auch endlich umsetzen.
Denn neben der Arbeitsmarktkomponente macht mich auch was anderes an dieser Stelle noch total glücklich und stolz: Es ist ein Befreiungsschlag für alle Frauen, denen man in Steuerklasse V bislang das Gefühl vermittelt hat, sie tragen wegen des hohen Steuerabzugs eben nicht in adäquater Weise zum Haushaltseinkommen bei oder es lohne sich einfach nicht, etwas mehr oder überhaupt arbeiten zu gehen.
Und ich möchte noch mit einem Mythos aufräumen. Herr Brehm hat ja eben von der Erzieherin in Steuerklasse III gesprochen; das ist ja alles schön und gut. Wir wissen aber, dass es in der Steuerklassenkombination III/V zu 75 Prozent die Frauen sind, die in Steuerklasse V arbeiten. Ich würde daher auch mal ein Fragezeichen dahinter machen, wie realistisch das Beispiel ist, das Sie uns hier
heute vorgerechnet haben.
Zukünftig wird die Steuerlast also gleichmäßiger verteilt, indem beide Ehepartner die Steuerklasse IV mit
Faktor erhalten. An der Höhe der gesamten Einkommensteuer des Ehepaares ändert sich nichts; kein Ehepaar zahlt durch die Reform unter dem Strich mehr Steuern. Nur schafft die gleichmäßiger verteilte Vorauszahlung über die Lohnsteuer positive Anreize für den Arbeitsmarkt und mehr finanzielle Gerechtigkeit und Unabhängigkeit für Frauen.
Diese Fortentwicklung des Steuerrechts ist also, so darf ich sagen, durchaus ein Quantensprung.
Danke schön.